CHRISTINE LEDERER

27.01.- 03.03.2024

Einladungskarte ansehen

In der Kunstgeschichte wurden Frauen oft als Verkörperung von Schönheit, Anmut und Fruchtbarkeit dargestellt. Klassische Gemälde und Skulpturen zeigen häufig ideale Formen von Weiblichkeit, die von glatten Kurven, makellosen Gesichtszügen und harmonischen Proportionen geprägt sind. Diese idealisierten Darstellungen spiegeln nicht nur ästhetische Präferenzen, sondern auch kulturelle Vorstellungen von Weiblichkeit und gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen wider.
Das markante Selbstporträt, das die Einladung zur Ausstellung ziert, zeigt Christine Lederer in einer ähnlichen Pose des Nacktmodells wie in Gustave Courbets „L’Origine du monde“ (Der Ursprung der Welt) von 1866. Doch wo bei Courbets Gemälde der Intimbereich einer Frau zu sehen ist, liegt bei Lederers Fotografie eine pinke, glänzende Vulva aus Glas zwischen den Schenkeln der Künstlerin – ein perfekt geformtes Geschlechtsorgan – fast wie eine Süßigkeit in ihrer Farbigkeit und Pracht. Der bewusste Bezug zu einem ikonischen Kunstwerk wird zur feministischen Geste, die den Blick auf den Körper neu definieren will. Lederer nutzt ihren eigenen Körper nicht nur als ästhetisches Objekt, sondern als Bühne für Diskurse über Identität und als politisches Statement zur Gleichstellung von Geschlechtern.

Wie ein roter Faden zieht sich das Thema Identität, Sexualität und soziale Normen durch das Oeuvre der Künstlerin. Ihre Ausdrucksformen sind dabei vielfältig und reichen von Text, Fotografie und Objekt, bis hin zu Video, Installation und Performance.

In der Ausstellung im Kunstverein Rosenheim zeigt Christine Lederer erstmals Arbeiten aus Glas.
Eine Serie dieser Skulpturen trägt den Titel „Candy Dreams“ und zelebriert in verführerisch knalliger Farbigkeit die Perfektion und die Ästhetisierung von Körperteilen. In der anderen Serie „Broken Dreams“ durchbricht Lederer die Illusion, schließt den Abstand zur Wirklichkeit und rückt den Körper in eine realistischere Perspektive. Gliedmaßen werden zu beweglichen, paarigen Körperanhängen; Der Busen hängt lang, die Hand knickt ab und das Material hat seine Farbigkeit verloren. Die Körperlichkeit kann hier nur in Verbindung mit der Umgebung aufrecht stehen.
Im Kontext des menschlichen Körpers wird Glas zu einer Metapher für die Zerbrechlichkeit und zugleich für die Potenziale der Transformation. Die glatten Oberflächen der Glasobjekte interagieren nicht nur mit dem Raum, sondern auch mit den Betrachter:innen. Sie reflektieren Dimensionen der eigenen Identität und Verletzlichkeit und lassen die Grenzen zwischen Transparenz und Substanz verwischen, verwandeln den Körper zu einer Skulptur der Fragilität.


Ihren Skulpturen stellt Christine Lederer Zeichnungen zur Seite. Ein weiteres Medium, das die Künstlerin exzessiv nutzt und welches Ausgangspunkt aller ihrer Arbeiten ist. Sie selbst sagt über den Akt des Zeichnens: „Es ist wie sich leer schreiben. Tabula Rasa.“
So zeichnet Lederer sich jeden Tag leer und füllt ihre Blätter mit der Darstellung von menschlichen Körper- und Geschlechtsteilen. Diese werden in ihren Zeichnungen nicht als tabuisierte Elemente behandelt, sondern vielmehr als natürliche Bestandteile menschlicher Anatomie mit symbolischer Funktion. Hierbei geht es nicht nur um die Abbildung äußerlicher Merkmale, sondern auch um die Erforschung innerer Empfindungen, Emotionen und psychologischer Zustände. Die weichen Formen, die runden Linien und Kurven verleihen Lederers Werken eine sinnliche Poesie, die die Intimität des Körpers betont und die Tiefe der menschlichen Beziehungen erkundet. Durch die stereotype Darstellung von Sexualität werden Fragen der Macht, des Begehrens, der Tabus, der konventionellen Normen und der Selbstbestimmung aufgeworfen.

Christine Lederers Kunst wirkt als Appell, eingefahrene Denkmuster und gesellschaftliche Normen zu durchbrechen. Ihre Werke plädieren dafür, herkömmliche Vorstellungen von Idealen und Geschlechtsidentitäten zu hinterfragen und Schönheit als etwas zu begreifen, das von individuellen Erfahrungen und Selbstausdruck geprägt ist und jedes Individuum einzigartig macht.